19, Liberté
Im Herzen von Luxemburg hat Jim Clemes Associates eines der bedeutendsten Bauwerke der Stadt revitalisiert: Im schlossartigen Verwaltungssitz des einstigen Stahlkonzerns ARBED schuf er repräsentative Büro- und Konferenzräume für die staatliche Sparkasse BCEE. Dabei meisterte er eine schwierige Gratwanderung. Einerseits bestand die Kunst darin, ein Denkmal auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, ohne dass man es dem Gebäude ansieht – andererseits galt es, ein zukunftsfähiges Interieur zu schaffen, in dem sich die BCEE als modernes Unternehmen darstellen kann. Mit großem Respekt vor der historischen Bausubstanz und viel Erfindungsreichtum wurde die widersprüchliche Aufgabe gelöst. Errichtet wurde die ARBED-Direktion in den Jahren 1920-22 nach Plänen von René Théry. Er konstruierte den Bau hochmodern aus Stahlbeton, verkleidete ihn dann aber mit beigefarbenem Sandstein. Teile des üppigen Fassadenschmucks verpflichtete er den französischen Bildhauer René Rozet. Nicht viele Bauwerke haben sich so stark ins kollektive Gedächtnis des Landes eingebrannt wie der ARBED-Sitz. Der luxemburgischen BCEE – dem neuen Eigentümer – ist es gelungen, den Geist des Hauses wiederzubeleben. Wie früher herrscht also steter Besucherverkehr, der für Leben in dem weitläufigen Bau sorgt. Und das Denkmal ist – zumindest in einem gewissen Umfang – öffentlich zugänglich. Außen musste vor allem das Dach, denkmalschutzgetreu saniert werden, im Innern galt es, alte Oberflächen zu restaurieren, heutige Sicherheits- und Medientechnik zu installieren, die Räume neu einzurichten und sie auf den aktuellen Stand in Sachen Barrierefreiheit, Brandschutz und Energieverbrauch zu bringen. Besucher betreten den Bau über das Hauptportal an der Avenue de la Liberté. Fließend ist der Übergang zu den innenliegenden Fluren, die mit einer ungewöhnlichen Lichtfülle überraschen. Kaum zu glauben, dass sie vor der Modernisierung einen düsteren Eindruck erweckten. Auch die Beleuchtung trägt dazu bei, die Raumoberflächen wieder neu in Szene zu setzen. Die Flure sind in blendfreies, indirektes Licht getaucht – seine Farbtemperatur bringt den sanften warmen Ton der Natursteinwände erst richtig zur Geltung. Selbstbewusst, aber unaufdringlich fügen sich die Lichtquellen in die architektonische Ordnung der gewölbeüberspannten Flure.
Der intakte Raumeindruck in den Fluren ist aber noch etwas anderem zu verdanken: den alten kassettierten Zimmertüren aus Eiche. Sie sind weitgehend unverändert erhalten geblieben wie im gesamten Haus, das Leitungsnetz komplett auszuwechseln: 108 Kilometer Datenkabel und 137 Kilometer Elektrokabel mussten verlegt werden, ohne die reich verzierten Raumoberflächen mit ihrem Stuck und ihren Vertäfelungen zu beschädigen. Vier kleinere übereinanderliegende Büroräume wurden geopfert, um hier eine barrierefreie vertikale Verbindung zu ermöglichen. In ihrer formalen Reduktion präsentiert sich die Aufzugsanlage zwar eindeutig als Kind unserer Tage, inszeniert aber keinen lauten Kontrast, sondern zeigt sich so zurückhaltend, dass sie dem denkmalgeschützten Bestand den Vortritt überlässt. Da der ehemalige Theatersaal schon mehrmals tiefgreifend umgebaut wurde, gab es nicht mehr genügend Originalsubstanz, die eine Wiederherstellung des früheren Erscheinungsbilds sinnvoll hätte erscheinen lassen. Daher ist dies der einzige Raum, bei dem man sich einen kompletten gestalterischen Neuanfang gönnte. Die Wände tragen eine Bekleidung aus Räuchereiche. Sie lässt sich als Referenz an die Holzvertäfelung im alten Kantinensaal auffassen, vor allem aber übernimmt sie mit ihrer Mikroperforierung die Aufgabe, die Raumakustik zu verbessern. Die gewölbte Decke besteht aus Gipssegeln. Sie wurden in die passende Form gegossen und überlappen einander, sodass sich eine indirekte Beleuchtung integrieren ließ.
Nach nur 18 Monaten Renovierung und nach den aktuellen neuesten technischen Standards, präsentiert sich das Gebäude der BCEE in seiner Grundsubstanz beinahe wie im Jahr 1922.